lesen

lesen
lesen:
Das gemeingerm. Verb mhd. lesen, ahd. lesan, got. lisan, aengl. lesan, schwed. läsa geht mit verwandten Wörtern auf eine Wurzel *les- »verstreut Umherliegendes aufnehmen und zusammentragen, sammeln« zurück, vgl. z. B. die balt. Sippe von lit. lèsti »picken; aussuchen, auslesen«. Die alte Bedeutung »‹auf-, ein›sammeln, aussuchen« hat sich im Dt. neben der jüngeren Bedeutung »Geschriebenes lesen« bis zum heutigen Tag gehalten, beachte z. B. »Ähren, Trauben oder dgl. lesen«.
An diese Bedeutung schließen sich an das Substantiv Lese »das Sammeln, Ernte« (18. Jh.), beachte dazu »Traubenlese, Blumenlese, Spätlese« usw., ferner die Präfixbildungen und Zusammensetzungen auslesen »aussuchen, auswählen« (mhd. ūz̧lesen), dazu Auslese »Auswahl des Besten« (19. Jh.), erlesen veraltet für »aussuchen, erwählen« (mhd. erlesen, ahd. irlesan), dazu das in adjektivischen Gebrauch übergegangene 2. Partizip erlesen »ganz vorzüglich« (beachte auch auserlesen) und verlesen »Schlechtes, Unbrauchbares aussondern« (15. Jh.). Von dieser Bedeutung geht auch die alte Adjektivbildung leer, eigentlich »etwas, was gesammelt werden kann«, aus. – Die in ahd. Zeit beginnende Verwendung des Verbs im Sinne von »Geschriebenes lesen« erfolgte wahrscheinlich unter dem Einfluss und nach dem Vorbild von lat. legere »sammeln, aussuchen; Geschriebenes lesen«. Allerdings kann das Verb »lesen« bereits in germ. Zeit auf das Einsammeln und Deuten der zur Weissagung ausgestreuten Stäbchen bezogen worden sein (s. auch den Artikel Buchstabe). An den Wortgebrauch im Sinne von »Geschriebenes lesen« schließen sich an die Ableitungen lesbar (17. Jh.), Leser (mhd. lesæ̅re), leserlich (17. Jh.), Lesung (16. Jh.) und Zusammensetzungen wie Lesart (18. Jh.), Lesebuch (18. Jh.), Lesezeichen (um 1800); ferner zahlreiche Präfixbildungen und Zusammensetzungen, z. B. »ab-, durch-, vorlesen«, beachte besonders auslesen »zu Ende lesen« (mhd. ūz̧lesen), belesen veraltet für »durchlesen«, dazu das in adjektivischen Gebrauch übergegangene 2. Partizip belesen »durch Lesen gebildet, kenntnisreich« (17. Jh.); verlesen »falsch lesen« und zerlesen »durch die Handhabung beim Lesen abnutzen oder beschädigen«. Siehe auch »Federlesen« unter Feder.

Das Herkunftswörterbuch . 2014.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Lesen — Lesen …   Deutsch Wörterbuch

  • lesen — Vst. std. (8. Jh.), mhd. lesen, ahd. lesan, lesen, as. lesan Stammwort. Aus g. * les a Vst. auflesen, sammeln , auch in gt. lisan, anord. lesa, ae. lesan, afr. lesa. In dieser Ausgangsbedeutung läßt sich das Wort vergleichen mit lit. lèsti picken …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • lesen — V. (Grundstufe) das Geschriebene ansehen und seinen Sinn verstehen Beispiel: Das Kind kann noch nicht lesen. Kollokation: ein Buch lesen lesen V. (Aufbaustufe) Früchte o. Ä. von etw. abnehmen und einsammeln Beispiele: Sie gingen in den Wald, um… …   Extremes Deutsch

  • Lesen — Lesen, ein Buch lesen für mich ist das das Erforschen eines Universums. «Marguerite Duras [* 1914]; franz. Schriftstellerin» Ich lösche das Licht selten aus, ohne vorher gelesen zu haben. Indem man das Geistige zwischen das Sinnliche des Tages… …   Zitate - Herkunft und Themen

  • lesen — ¹lesen 1. a) auslesen, durcharbeiten, durchgehen, durchlesen, durchsehen, Einblick nehmen, einsehen, entziffern, erfassen, schmökern, überfliegen. b) ablesen, aufsagen, deklamieren, rezitieren, verlesen, vorlesen, vorsprechen, vortragen,… …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • lesen — lesen, liest, las, hat gelesen 1. Ich habe gelesen, dass es ab heute Sonderangebote gibt. 2. Deine Schrift kann ich nicht gut lesen. 3. In der Schule lesen wir ein Buch von Goethe …   Deutsch-Test für Zuwanderer

  • Lesen — (nach dem lat. legere; beides eigentlich soviel wie sammeln), die Kunst, aus sichtbaren Zeichen der Sprachlaute (Buchstaben) diese selbst und dadurch die von andern in Schrift oder Druck niedergelegten Gedanken zu erkennen. Dem entsprechend ist… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Lesen — Lesen, Buchstaben zu Wörtern und Sätzen zusammenfassen, wurde bis ins 19. Jahrh. durch die Buchstabiermethode gelehrt, obwohl schon Ickelsamer (1530) die Lautiermethode forderte, die dann nach vielfachen Versuchen von Campe, Olivier, Krug u.a.… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • lesen — [Basiswortschatz (Rating 1 1500)] Auch: • vorlesen Bsp.: • Der Junge konnte nicht lesen. • Warum setzt du dich nicht dort drüben hin und liest ein Buch? , sagen sie. • Abends lese ich oft …   Deutsch Wörterbuch

  • Lesen — Lesen, die sichtbaren Zeichen der Sprachlaute in die entsprechenden hörbaren Laute übertragen. Der Unterricht im L. geht vom Einfachsten, dem Buchstabenlesen, aus u. schreitet zu dem Sylben , Wort u. Satzlesen fort u. bezweckt vollkommene… …   Pierer's Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”